Giuseppe Tizza ist ziemlich verwirrt: „Das
Auto kann doch nichts dafür“,
sagt er traurig. Der gebürtige Sizilianer
ist Besitzer einer kleinen Werkstatt im
hessischen Rosbach. Dort schraubt er am
liebsten an alten Alfa Romeos herum. Er
guckt mitleidig auf das braune Coupé,
Baujahr 1974. „Ich liebe diese Autos“,
sagt Tizza. Dann sieht er zu der jungen
Frau hinüber, die in der Nachbarschaft
wohnt und ihn gebeten hat, sich das Auto
einmal gründlich anzuschauen. Sie hat
die Hände in den Manteltaschen vergraben
und macht ein Gesicht, als ob sie auf der
Stelle kotzen könnte. Dafür hat
der freundliche Herr Tizza vollstes Verständnis,
denn „das Schwein hat die arme Frau
voll über den Tisch gezogen“,
sagt er. Nur können das Auto ja nichts
dafür, wiederholt Tizza.
Die wütende Frau heißt Minou
Wittich und ist eigentlich gar nicht böse,
sondern vielmehr herzensgut. Allein schon
deshalb, weil sie zu ihren beiden leiblichen
Kindern noch ein behindertes Mädchen
adoptiert und eine dreibeinige Hundedame
aus dem Tierheim geholt hat. Und weil
die 35-Jährige so ein großes
Herz hat, konnte sie gar nicht anders,
als einem Bekannten (dem besagten Schwein)
in finanziellen Schwierigkeiten eine Stange
Geld zu leihen. 6500 Euro. Als Pfand bekam
die Wittich jenen braunen Alfa „in
hervorragendem Zustand“ (Zitat Schwein)
– und die Zusage, es wolle ihr das
Geld im erneuten Tausch gegen das Auto
nach einem Jahr zurückgeben. Doch
das ist lange her, der Mann „geht
nicht mal mehr ans Telefon“, und
obendrein befindet sich der braune Alfa
keinesfalls in einem guten Zustand, das
kann Herr Tizza nur bestätigen.
Also setzte sich Minou Wittich eines Abends
Mitte November an den Computer, verputzte
eine ganze Tafel Schokolade gegen den Frust
und bot das Auto bei Ebay zur Versteigerung
an – auf ziemlich ungewöhnliche
Weise: Wittich, von Beruf Radiomoderatorin,
ließ in der Beschreibung der Ware
nämlich nichts aus. Weder den erbärmlichen
Zustand des Alfas („Dreckskarre“)
noch ihren Hass auf den Vorbesitzer, über
den sie sagt, „er machte auf dicke
Hose mit der Karre, der brauchte den Alfa,
um bei den Mädels zu landen“.
Und weil Minou Wittich schon mal so richtig
in Fahrt war, setzte sie noch einen drauf.
„Alfa-Fahrer haben wahrscheinlich
einen kleinen Pimmel“, schrieb sie.
Das genügte, um eine wohl einmalige
Resonanz auf einen Ebay-Artikel hervorzurufen.
Weit über 90000-mal wurde das Angebot
mit dem Titel „Scheiss-Alfa“
angeklickt. Wittich (Ebay-Name: mini2410)
bekam rund 1300 E-Mails von denen sie einen
Teil kommentierte und wiederum im Netz veröffentlichte.
Beobachter verschickten den Link an Freunde,
Kollegen und natürlich an Alfa-Fahrer,
die mitunter tief gekränkt E-Mails
verfassten und dabei Wittichs Wortwahl noch
übertrafen.
Ebay löschte das Angebot nach zwei
Tagen. Wittich aber machte die anstößigen
Wörter teilweise unkenntlich („Sch****Alfa,
Kleine P*****“) und setzte die
Show fort. Auszüge: „Wahrscheinlich
hast du selbst den kürzesten Schw***
von allen“, schrieb ein Alfa-Fahrer,
der im Übrigen keinen Gleichgesinnten
kenne, der „mit seiner Karre oder
seine P**islänge unzufrieden ist.“
Kommentar von Minou Wittich: „Ja,
ich habe den Kürzesten von Euch allen,
denn ich bin EINE FRAU!!!! Dass Alfa-Fahrer
noch nicht einmal diesen Unterschied auf
die Reihe kriegen...“
Wittichs Schlagfertigkeit („Wie lange
musstest du auf diesen Witz sparen?“)
führte zu ungeahnten Sympathiebekundungen,
auch von männlicher Seite. Das Auto
geriet in den Hintergrund des Interesses,
statt Geboten bekam die Besitzerin fünf
Heiratsanträge. Viele Absender spekulierten
darüber, wie sie wohl aussehe. Minou
Wittich („85C, sagt dir das was?“)
amüsierte die mitunter plumpe Anmache,
und sie entlarvte die baggernden Herren.
Ein Charmeur kam sogar aus demselben Ort.
Wittichs Reaktion: „Na sicher kenn
wir uns. Gerade heute hab ich deiner Frau
an der Kühltheke im Penny erzählt,
dass du über Ebay mit mir anbandeln
wolltest. Wir haben sehr gelacht...“
Nützliche Ideen gingen aber auch ein.
Jemand schlug vor, man solle Geld spenden,
um Wittichs Verlust zu begrenzen. Die versprach
daraufhin, dass alles, was über das
Mindestgebot von 3999 Euro hinausgehe, an
die Kinderkrebshilfe gehe. Das Auto wurde
genau für den geforderten Preis verkauft,
und nebenher sind weitere 1267 Euro gespendet
worden. Herr Tizza hat nun mehr Platz in
seiner Werkstatt, in Rosbach herrscht wieder
Frieden, und die langen Nächte am Computer
haben Wittich zum Glück nicht verändert.
„Jemandem zu helfen, der völlig
verzweifelt ist“, sagt sie, „das
würde ich immer wieder tun.“
Frank Janssen
Stern 51 / 2004,
S. 142
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